Gewissermaßen ist die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet, ein gutes Vorbild für agiles Projektmanagement: Denn seine Stärke liegt in der Adaption und in der Kognition, also darin, eine Vielzahl an Information immer wieder neu zu ordnen, Komplexität zu reduzieren, und das immer genau dann, wenn es die Situation erfordert. Es lebt davon, stabile Zustände zu erreichen, ohne jemals wirklich ein globales Ziel zu verfolgen. Das menschliche Gehirn ist ein Meister in agiler Entwicklung!
Die Unterschiede fangen dort an, wo die Unternehmen, oder Teams, ins Spiel kommen. Denn dann geht es um kollektive Informationsverarbeitung, um Projektmanagement, das Entwicklungsstände bei allen Teammitgliedern in Echtzeit abbildet, um so flexibel auf neue Situationen reagieren zu können.
Agiles Projektmanagement: Weg von starren Strategien, die nicht zum Ziel führen
Agile Entwicklung ist eine Herangehensweise, bei der weniger mehr ist … weniger starre Strategie, stattdessen mehr Flexibilität. Stellen wir uns nur vor, unser Gehirn hätte bereits ein kohärentes Muster, eine Strategie, nach der es handeln würde. Es würde seine Flexibilität verlieren, sich auf neue Situationen einzustellen. Das entspricht eher dem Verhalten, das sich bei uns im fortgeschrittenen Alter einstellt. Auf Unternehmen übertragen: Während junge, agile Start-ups auf Einflüsse von außen in der Regel flexibel reagieren können, erscheinen Unternehmen mit althergebrachten Organisationsstrukturen oft inflexibel, mitunter behäbig bis schläfrig.
Agilität bedeutet nicht, dass man nicht weiß, was man tut. Man weiß es in jeder einzelnen Situation besser, man glaubt nur nicht, es bereits vor dem ersten Schritt für das ganze Projekt zu wissen. Dabei steckt man zu Beginn des Projekts also keineswegs die Köpfe in den Sand und weiß erst mal gar nicht, was passiert, sondern schafft gemeinsam mit dem Unternehmen eine Infrastruktur, die agile Innovationszyklen überhaupt erst erlaubt.
Agilisierung im Projektmanagement
Dinge können sich ändern: Kaum ein Stratege wird während seiner strategischen Entwicklung und der Umsetzung der Strategie nicht auch sog. „Milestones“ mit einbauen: In jeder Strategie muss es auch darum gehen, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob die Richtung noch stimmt. Strategien sind also keineswegs völlig starr, sondern kalkulieren eine gewisse Flexibilität mit ein. Mit anderen Worten: Eine starre Strategie definiert Ausgangspunkt A und Zielzustand B und entwickelt einen Plan, um von A nach B zu kommen – flexiblere Strategien definieren Zwischenzustände. In einer weiteren Flexibilisierung können mehrere Handlungsalternativen berücksichtigt werden, was im Großen und Ganzen ebenfalls jedoch nur bedingt flexibel ist.
„Blinde Flecken“ in der Strategie
Solche Strategien haben oft „blinde Flecken“, also Dinge, die nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden können. Ein Blick in die Zukunft ist naturgemäß schwierig, insbesondere wenn das Verhalten von Wettbewerbern, Kunden oder Medien verhergesehen werden soll.
Heute gibt es deutlich weniger Blinde Flecken, weil wir Daten und Tools haben, und weil wir Teams ebenso wie Kunden frühzeitiger in den gesamten Prozess mit einbeziehen können.
Strategien sollten ganz gewiss immer einen Ausgangszustand ermitteln und eine Richtung vorgeben – inwieweit das explizit ausgearbeitet wird, muss der Stratege entscheiden. Doch die große Zeit der starren Strategie oder der Strategie mit Meilensteinen (s.o.) findet ihr Ende: Sie war eine lange Zeit berechtigt, weil früher meist nur zu Beginn gemessen werden konnte (z. B. in der Marktanalyse), und am Ende, um herauszufinden, ob die Strategie auch aufgegangen ist. Dazwischen, also in der Umsetzungsphase, in der man nicht oder nur kaum messen konnte, wurde der völlige Blindflug durch eine klare strategische Ausrichtung nur bis zu einem gewissen Grad verhindert.
Heute segeln Unternehmen stattdessen immer häufiger „auf Sicht“, weil sie
- 1. Turbulenzen kaum noch langfristig vorhersehen können und
- 2. auf Veränderungen schneller reagieren müssen.
Sie vertrauen mehr auf die Ausschläge in ihrem Kompass, als auf die Karte, die womöglich ohnehin schon nicht mehr stimmt, in dem Moment, in dem sie geschrieben worden war.
5 Dinge, ohne die ich mir agiles Projektmanagement nicht vorstellen kann
- Kollaboration: Agiles Projektmanagement braucht Kollaboration, und es braucht Kollaborationstools.
- Iteratives Vorgehen: Agiles Projektmanagement braucht eine Vielzahl an Zyklen, um stabile Ergebnisse zu erzielen.
- Monitoring: Agiles Projektmanagement braucht Monitoring, um Prozesse zu steuern und zu überwachen.
- Big Data: In agilem Projektmanagement werden verstärkt implizite Informationen genutzt, da ein Großteil der relevanten Information nicht explizit festgehalten werden kann.
- Resonanz: Agiles Projektmanagement findet nicht in geschlossenen Welten oder im Test-Labor statt: Es geht darum, die Ergebnisse möglichst früh einzusetzen und anhand von Feedbacks zu überprüfen bzw. das Projekt immer wieder neu auszurichten.
Agiles Projektmanagement im Marketing
Agiles Projektmanagement kommt aus der Software-Entwicklung, und findet nun zunehmend Anwendung in anderen Bereichen, insbesondere im Marketing. Tatsächlich kann ein Blick auf agiles Projektmanagement hilfreich sein, um das Vorgehen in andere Bereiche zu übertragen. Vorgehensmodelle wie Scrum basieren auf den verschiedenen Rollen ihrer Team-Mitglieder: Der Produkt-Eigner vertritt die Anwender, z. B. die Nutzer oder auch den Vertrieb. Projekt-Master fungiert insbesondere als Sprecher und Moderator des Projekt-Teams. Das Projekt-Team wiederum besteht aus den Mitgliedern aller Fachbereiche, die an dem Projekt arbeiten.
Typisch für agiles Projektmanagement sind Boards, also Pinnwände (on- oder offline), auf denen Entwicklungsstände festgehalten werden. Bekannte Tools hierfür sind Trello, Asana oder auch Jira.
So arbeite ich agil
Im Content Marketing arbeite ich viel mit Trello, welches für kleinere bis mittlere Projekte völlig ausreichend ist. Wenn Versionierung eine große Rolle spielt, greife ich zusätzlich auf GitHub zurück, ohne jedoch Trello als Tool zu wechseln (hier böte sich ansonsten Sprintly an).
Fazit
Unser Gehirn hat bereits die richtige Software für agile Entwicklung: Big Data ohne Ende, Schnittstellen nach außen, und tolle Tools für die Informationsverarbeitung und -strukturierung.
In der kollektiven agilen Entwicklung, dem agilen Projektmanagement in Unternehmen oder Teams, müssen wir das alles erst einmal schaffen. Es ist sinnvoll, weitgehend starre Strategien durch agile Vorgehensweisen zu ersetzen, weil wir heute die Tools und die Daten haben, um sehr gut „auf Sicht“ segeln zu können – aber auch, weil wir es angesichts der zunehmenden Komplexität unserer Gesellschaft nun auch müssen. Das ist keineswegs das Ende von Strategie: Vielmehr gewinnen operationale Flexibilität und strategische Flexibilität an Bedeutung. Agilität verändert Strategie!
Ein Beitrag zur Blogparade von Babak Zand
Während dieser Artikel entstanden ist, sind bereits mehrere Autoren dem Aufruf zur Blogparade von Babak Zand gefolgt. Alle Artikel sowie den Eingangstext von Babak findest du auf babak-zand.de | Blog-Parade